Rede des Bayerischen Staatsministers des Innern, Dr. Günther Beckstein,
anlässlich der Jahreshauptversammlung des Arbeitskreises Nordbayerischer Böllerschützen am 22. März 2003 im Schützenheim der SSG Röthenbach/Pegnitz

Es gilt das gesprochene Wort!

 


Anrede!


Einleitende Worte


Über die Einladung zur Jahreshauptversammlung des Arbeitskreises Nordbayerischer Böllerschützen e.V. habe ich mich sehr gefreut. Trotz meiner erheblichen Terminnöte bin ich gerne zu Ihnen gekommen, zumal ich mich als Ehrenkommandant Ihrem Arbeitskreis besonders verbunden fühle.


Novellierung Waffenrecht


Ihrem Wunsch, Ihnen die wesentlichen Änderungen des nunmehr in wenigen Tagen am 1. April in Kraft tretenden novellierten Waffengesetzes zu erläutern, entspreche ich gerne. Vorab möchte ich noch einmal betonen, dass sich Bayern im Gesetzgebungsverfahren immer bemüht hat, einen Kompromiss zu finden zwischen den Sicherheitsinteressen des Staates einerseits und den berechtigten Belangen von Jägern oder Sportschützen andererseits. Ich meine, dies ist letztendlich gelungen - trotz der schwierigen Situation gerade im Zusammenhang mit der schrecklichen Bluttat von Erfurt, die uns alle tief betroffen gemacht hat.


Bluttat Erfurt


Wie Sie wissen, ist nach den Ereignissen von Erfurt über alle Parteigrenzen hinweg der Ruf nach Verschärfungen im Waffenrecht laut geworden. Wir müssen dafür Sorgen, dass sich derartige Ereignisse künftig möglichst nicht mehr wiederholen.


Illegale Schusswaffen


Gleichwohl möchte ich nicht verhehlen, dass letztendlich das Hauptproblem für die Innere Sicherheit der erhebliche Bestand an illegalen Schusswaffen ist. Hier gilt es, neben den waffenrechtlichen Vorschriften auch alle polizeilichen und sonstigen Möglichkeiten zu nutzen, um den illegalen Besitz von Schusswaffen effektiv zu bekämpfen.


Amnestieregelung


Das ab 1. April geltende Waffengesetz sieht die Möglichkeit vor, im Wege einer zeitlich befristeten Amnestieregelung Schusswaffen im illegalen Besitz abzugeben oder fachgerecht zu entsorgen. Unser Grundsatz muss lauten: Jede illegale Waffe, die aus dem Verkehr gezogen wird, verhindert möglicherweise eine Straftat. Ich kann deshalb nur dringend empfehlen: Sollten Sie von Besitzern illegaler Schusswaffen angesprochen werden, raten Sie ihnen, diese Waffen entweder unbrauchbar machen zu lassen oder bei einem Berechtigten, bei der zuständigen Stelle in der Kreisverwaltungsbehörde oder bei jeder Polizeidienststelle abzugeben. Das Waffengesetz sieht in solchen Fällen die Straffreiheit für den Betroffenen vor.


Abgabe oder Unbrauchbarmachen der Waffe


Bei der Abgabe der Waffe nehmen die zuständigen Stellen regelmäßig und die Polizei in jedem Fall die Personalien auf. Damit ist nachgewiesen, dass die Waffe tatsächlich und zeitgerecht abgegeben wurde. Außerdem wird durch diese Personalienaufnahme vermieden, dass jemand unbemerkt eine Waffe abgeben kann, mit der möglicherweise eine Straftat begangen wurde. Diese Regelung ist zeitlich befristet vom 1. April 2003 bis 30. September 2003.

Eine ähnliche Regelung, allerdings befristet bis 31. August 2003, gibt es für Gegenstände, die ab dem 1. April 2003 generell verboten sind, wie zum Beispiel Faustmesser, Butterflymesser, Wurfsterne und Fallmesser oder bestimmte Gegenstände, die ab 1. April 2003 neu einer Erlaubnispflicht nach dem Waffengesetz unterliegen. Ich nenne hier nur sogenannte Soft-Air-Waffen ohne F-Prüfzeichen mit einer Energie der Geschosse über 0,08 Joule oder Spielzeugwaffen, die echten Schusswaffen täuschend ähnlich sehen. Bei diesen Waffen gibt es allerdings im Gegensatz zur Amnestieregelung keine Abgabemöglichkeit bei den Behörden. Hier muss entweder der Gegenstand oder die Waffe unbrauchbar gemacht, einem Berechtigten überlassen oder eine Erlaubnis beantragt werden. Diese neuen Regelungen sind sehr ernst zu nehmen, da ein Verstoß auch zu einer Straftat führen kann.


Ausführungsbestimmungen


Zu den im Gesetz angekündigten Ausführungsbestimmungen kann ich im Übrigen noch keine abschließenden Aussagen machen. Leider war das Bundesministerium des Innern nicht in der Lage, zeitgerecht bis zum 1. April die Allgemeine Waffenverordnung vorzulegen. Es hat zum Vollzug des Waffengesetzes aber wenigstens am 19. März 2003 erste Vollzugshinweise gegeben. Sie betreffen vor allem

  • den Vollzug der neu geschaffenen Regelungen für eine medizinisch-psychologische Untersuchung,
  • vorläufige Regelungen für den Sportbereich und insbesondere auch
  • die sichere Aufbewahrung von Waffen.

Wir haben die Hinweise bereits weitergeleitet und werden sie bis Mitte der nächsten Woche mit zusätzlichen eigenen Anmerkungen anreichern. Dabei setzen wir alles daran, dass den berechtigten Belangen aller Beteiligten entsprochen wird. Weiterhin beabsichtigt mein Haus, in Kürze eine kleine Broschüre im Wege der Öffentlichkeitsarbeit herauszugeben. Dort werden die wesentlichen Änderungen nochmals für die Bürger in griffiger Form dargestellt. Die Broschüre wird in Kürze auch über die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden erhältlich sein.


Wesentliche Änderungen im Waffenrecht


Lassen Sie mich nun zu einigen wesentlichen Punkten des novellierten Waffenrechts kommen. Vor allem nach den tragischen Morden in Erfurt wurden noch eine Reihe von Änderungen in das Gesetz aufgenommen, die auch Sie als Sportschützen oder Brauchtumsschützen betreffen.


Medizinisch-psychologische Untersuchung


Es geht hier zunächst um die neu eingeführte medizinisch-psychologische Untersuchung für den Erwerb großkalibriger Schusswaffen im Sportbereich bis zu einem Alter von 25 Jahren. Ich möchte hier ausdrücklich betonen: Damit ist kein Generalverdacht für eine ganze Generation verbunden. Die Regelung war jedoch aus sicherheitsrechtlichen Erwägungen zwingend erforderlich. Der Schießsport wird nach unserer Ansicht dadurch nicht unzumutbar erschwert. Es sind hiervon, wie bereits erwähnt, nur großkalibrige Schusswaffen betroffen. Der gesamte olympische Schießsportbereich und auch Flinten bis zu Kaliber 12 sind von dieser Regelung ausgenommen.


Privilegierung von Schießsportverbänden


Im Sinne des Waffengesetzes sind künftig nur noch Schießsportverbände privilegiert, die bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen und eine Anerkennung durch das Bundesverwaltungsamt erfahren haben. Das sportliche Regelwerk dieser Verbände unterliegt einer Genehmigungspflicht. Insbesondere soll es im sportlichen Bereich wie bisher ausgeschlossen sein, dass kampfmäßiges Schießen wie das Trainieren von Häuserkämpfen und ähnliches stattfindet.


Zuständigkeit des Bundesverwaltungsamts


Zuständig für die Genehmigungen dieser Sportordnungen und auch für die Anerkennung der schießsporttreibenden Verbände ist das Bundesverwaltungsamt. Ich gehe davon aus, dass die Anträge der einzelnen Verbände in Kürze dort eingereicht werden. Eine Entscheidung darüber wird allerdings in der ersten Jahreshälfte 2003 nicht mehr zu erwarten sein.

Bis zu den entsprechenden Entscheidungen ist im Rahmen einer Übergangsregelung davon auszugehen, dass waffenrechtliche Erlaubnisse im Wesentlichen wie bisher geprüft und erteilt werden; allerdings nicht nach den neu geschaffenen Paragrafen 14 und 15, sondern nach dem allgemeinen Paragrafen 8.

Als sachkundigem Publikum brauche ich Ihnen hier sicherlich nicht zu erläutern, dass sich auch die einzelnen Erlaubnisvoraussetzungen im Detail geändert haben. So ist zum Beispiel die Mindestwartezeit künftig von sechs auf zwölf Monate erhöht worden.


Erleichterungen für Brauchtumsschützen


Eine wesentliche Erleichterung hat sich für Sie dadurch ergeben, dass künftig eine waffenrechtliche Genehmigung für das Benutzen von Böllern zum Brauchtumsschießen nicht mehr erforderlich sein wird. Es verbleibt hier bei den nach Immissionsschutzrecht erforderlichen Anzeigepflichten.


Stellungnahme
Dr. Schnappauf


Ergänzend hierzu hat mir Kollege Dr. Schnappauf eine Stellungnahme zu den von Ihnen im Einladungsschreiben gestellten Fragen übermittelt. Er teilt mir wörtlich Folgendes mit:

"Zum Vollzug des Art 13 BayImSchG sind die Gemeinden berufen, also diejenigen Instanzen in Bayern, die am ehesten beurteilen können, welche Vorgehens- und Verhaltensweisen der örtlichen Gemeinschaft entsprechen und welche den sozialen Frieden zu stören geeignet sind. Die Gemeinde hat eine Entscheidung darüber zu treffen, ob sie eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot des Böllerschießens erteilen soll. Bei ihrer Entscheidung hat die Gemeinde sorgfältig abzuwägen, ob trotz der wichtigen Gesichtspunkte der Brauchtumspflege und angestammten Tradition der Schutz der Nachbarn vorrangig ist. Dies ist jedenfalls um so eher der Fall, je weniger der entsprechende Brauch gepflegt wird. Ebenso spielt eine Rolle, inwieweit dieser Brauch in der Bevölkerung anerkannt wird. Anlässe wie ein Geburtstagsschießen lassen sich wohl beliebig finden. Hier sind auch die Vereine der Brauchtumspflege gefordert, klar zwischen Brauchtum und Freizeitgestaltung zu unterscheiden, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erzielen.

Art. 13 des Bayerischen Immissionsschutzgesetzes (BayImSchG) ist geltendes Recht und bis zu seiner Aufhebung von Bürgern und Verwaltung zu beachten. Sicher sprechen gerade im Zuge der Deregulierung, die von Herrn Ministerpräsident und der Bayerischen Staatsregierung für eine äußerst wichtige Aufgabe gehalten wird, gute Gründe dafür, den Art. 13 BayImSchG ganz aufzuheben. Andererseits lässt gerade die Forderung des Arbeitskreises auf Unterbindung bestimmter Vorgehensweisen wie z.B. das "Schießen" mit karbidgefüllten Milchkannen darauf schließen, dass die Norm nicht völlig überflüssig ist. Unverzichtbar erscheint Art. 13 BayImschG jedenfalls nicht, schon allein deshalb, weil es den § 117 OwiG gibt, der bestimmt, dass es verboten ist, ohne berechtigten Anlass oder in einem unzulässigen oder nach den Umständen vermeidbaren Ausmaß Lärm zu erregen, der geeignet ist, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen."

Soweit die Ausführungen von Kollege Dr. Schnappauf.


Sichere Aufbewahrung von Schusswaffen


Lassen Sie mich nun abschließend noch zu einer ganz wesentlichen Vorschrift im neuen Waffengesetz kommen, der sicheren Aufbewahrung von Schusswaffen. Grund hierfür war, wie Ihnen sicherlich bekannt ist, dass es mehrere tragische Ereignisse - ich nenne hier nur Bad Reichenhall und Brannenburg - gegeben hat. Bei den Vorfällen haben junge Menschen nicht sicher verwahrte Schusswaffen für schwere Straftaten benutzt. Die nunmehr im Gesetz normierten Kriterien, denen zufolge für Langwaffen mindestens ein Stahlschrank der Sicherheitsstufe A und für Kurzwaffen ein Behältnis der neuen Sicherheitsstufe 0 oder der alten Sicherheitsstufe B erforderlich sind, regeln nur die Grundfälle der sicheren Aufbewahrung. Auch hier werden in den Vollzugshinweisen noch weitere Festlegungen getroffen. Ich gehe aber davon aus, dass mit den gesetzlichen Bestimmungen, die ja bereits bekannt sind, der weitaus größte Teil der Aufbewahrungsfälle geregelt wird. Gleichwohl werden wir darauf achten, dass in den Vollzugshinweisen und in der folgenden Allgemeinen Waffenverordnung auch für die sonstigen Spezial-Fälle wie die Aufbewahrung von Schusswaffen in Schützenhäusern oder durch Sammler praktikable Regelungen getroffen werden.


Schlussworte


Damit möchte ich meinen kleinen Streifzug durch das novellierte Waffenrecht beenden. Wir werden jedenfalls beim Vollzug sehr darauf achten, dass Ihre Belange gebührend berücksichtigt werden.

Ich will im Übrigen nochmals betonen, dass sich die Bayerische Staatsregierung unseren Schützen in hohem Maße verbunden fühlt. Auch die Nordbayerischen Böllerschützen können auf eine stolze und reiche Tradition zurückblicken. Sie ist fester Bestandteil unseres vielfältigen Brauchtums in Bayern und zu einem unverwechselbaren Stück Heimat geworden. Diese Tradition gilt es auch künftig fortzusetzen. In diesem Sinne: Glück auf für die kommenden Jahre!

 


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